Space Shuttle – Das Ende einer Ära
Wiederholung: 3sat, 03.07.2011, 16.00 Uhr
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Das Ende des Shuttles markiert aber auch den Beginn eines technologischen Wettlaufs: Was kommt nach dem Space Shuttle? Wie soll die Zukunft der bemannten Raumfahrt aussehen? Die NASA ist überzeugt, dass man die bemannte Raumfahrt brauche. Es gehe darum, stellte 2009 eine Präsidentenkommission fest, „einen Weg für die Ausbreitung des Menschen im Sonnensystem vorzuzeichnen“.
Künftig sollen in den USA private Technologieunternehmen wie Boeing, Lockheed Martin und SpaceX die Shuttle-Nachfolge übernehmen. Von der Konkurrenz erwarten sich Politik und NASA-Organisatoren vor allem effizientere Raumfähren. Doch sind die Risiken einer privatisierten Raumfahrt kalkulierbar?
Große Hoffnungen und Erwartungen
1972 startete das Space Shuttle-Programm. Es war die Zeit des kalten Krieges. Die Amerikaner wollten den russischen Raumkapseln etwas neues, technisch Überlegendes entgegensetzen. Der Name steht für ein revolutionäres Konzept. Ein wieder verwertbarer Raumtransporter.
Doch der Wettlauf um die Dominanz im Weltraum erzeugte einen immensen Druck. In der Rivalität der Großmächte liegt der Keim der Katastrophe.
Am 28. Januar 1986 – 5 Jahre nach dem Erstflug – steht der Start der Challenger an. Es ist der 11. Flug eines Space Shuttle in 12 Monaten. Nach mehreren Verzögerungen darf die Besatzung endlich zur Startrampe fahren – obwohl es Sicherheitsbedenken gibt. Einige Ingenieure sehen den Zustand der Feststoffraketen kritisch.
Im Rekordtempo gewartet
Außerdem wurde die Challenger nach der letzten Mission nur knapp 3 Monate zuvor, bei der auch der deutsche Astronaut Ernst Messerschmid mitgeflogen war, im Rekordtempo gewartet. Die Bilder der Katastrophe haben sich ins kollektive Gedächtnis gebrannt.
Ernst Messerschmid:
„Ich sah wie das Shuttle sich zerlegte, wie das Cockpit sich separierte und das war für mich klar, keine Überlebenden. Ich war natürlich zu Tode bestürzt, vor allem auch schon deswegen weil ich mit allen bekannt war, denn wir haben das Shuttle 1 zu 1 übergeben.“
Das technische Scheitern wird von NASA-Überwachungskameras aufgezeichnet. Sekunden nach dem Zünden strömt schwarzer Rauch aus einer Feststoffrakete. Ein Dichtungsring an der Aufhängung versagt noch auf der Startrampe. Haben die NASA-Techniker aufgrund des hohen Zeitdrucks geschlampt?
Ernst Messerschmid:
„Ja der Druck ist immer da gewesen, gerade schon deswegen weil die Erwartungen von vorne herein nicht erfüllt werden konnten. Das Shuttle hätte ja jede Woche starten sollen, wenn es nach den ursprünglichen Planungen gegangen wäre. Mindestens zwei oder drei unterschiedliche Meldungen wären notwendig gewesen, um das Shuttle nicht starten zu lassen an diesem Tag. Das war die Temperatur, das war die unrunde Beschaffenheit dieser Booster Segmente und einiges kam noch hinzu und voila, das ergab dann die Katastrophe, 72 Sekunden nach dem Start.“
Bis heute gefährlich
Die Challenger Katastrophe forderte 7 Menschenleben und machte dramatisch die Selbstüberschätzung des amerikanischen Space-Shuttle-Programms deutlich. Zweieinhalb Jahre lang gab es ein generelles Startverbot für die verbliebene Shuttle-Flotte. Man arbeitete an über 2000 Verbesserungen. Das Space Shuttle Endeavour wurde 1991 als Ersatz für die Challenger fertig gestellt.
Doch die Shuttle sind – trotz ständig verschärfter Sicherheitsvorkehrungen, die die Kosten in astronomische Höhen trieben – bis heute gefährlich. Vor allem wegen des Treibstoffs: Flüssiger Wasserstoff und flüssiger Sauerstoff ergeben eine explosive Mischung. Die Technik ist kaum zu beherrschen.
Überlebenswichtig – das Hitzeschild
Da das leichte Glasfaser-Material selbst von einem Fingernagel beschädigt werden kann, wird noch eine extra Schicht aufgetragen. Das erhöht die Stabilität der Kacheln.
Tim Wright:
„Wir sprühen einen keramischen Überzug von der Dicke einer Eierschale auf. Es ist ein Glaspuder mit Borsilikat vermischt, das bei über 1200 Grad Celsius für etwa 90 Minuten gebacken wird. Wenn Sie die Kachel erhitzen, wird die Oberfläche sehr heiß, aber meine Hand darunter nicht. Ich spüre überhaupt keine Hitze. Trotz der geringen Leitfähigkeit arbeitet sich die Hitze mit der Zeit durch. Dies ist auch der Grund, warum das Space Shuttle am heißesten ist, wenn es nach der Landung wieder am Boden steht: Weil die Hitze sich wegen der geringen Leitfähigkeit erst dann durch die Kacheln durchgearbeitet hat.“
Über 1600 Grad Celsius
Beim Wiedereintritt in die Atmosphäre ist das Shuttle bis zu 33.000 Stundenkilometer schnell. Das ist ein Vielfaches der Schallgeschwindigkeit. Die Kacheln erhitzen sich dabei auf über 1600 Grad Celsius. Doch die Aluminiumstruktur unter dem Hitzeschild darf keinesfalls heißer als 93 Grad Celsius werden – sonst verformt sie sich.
An besonders kritischen Stellen bestehen die Kacheln aus Kohlefaserverbundstoffen. Die Belastung dieser Elemente ist so groß, dass sie nach fast jedem Flug ausgetauscht werden müssen.
Kommerzielle Anbieter wittern ein gutes Geschäft
Das Shuttle ist anfällig – und ein Auslausmodell. Für die Zukunft setzt die NASA auf ein anderes Design – ohne Flügel. Die Ingenieure greifen dafür auf alt bewährte Ideen zurück. Für bemannte Missionen orientiert man sich am Kapsel-Design der Apollo-Ära.
Orion heißt ihr neuer Traum. Der wurde in Teilen von der Obama-Regierung allerdings schon wieder gekippt. Dabei lieferten 2010 erste Tests des Rettungssystems in der Wüste New Mexicos wichtige Erkenntnisse. Sitzen die Astronauten in einer Kapsel auf der Spitze der Rakete, können sie bei einem Startabbruch gerettet werden. Dies war beim Shuttle nicht möglich. Laut NASA ist das Kapsel-Design etwa zehn Mal sicherer als das des Space Shuttle.
Neue Konzepte durch private Anbieter
In welchem Umfang die NASA ihre Forschung vorantreiben kann, ist im Moment unklar. Aus Kostengründen sollen zukünftig vor allem private Anbieter neue Konzepte entwickeln.
Die Konzepte der kalifornischen Firma SpaceX sind schon sehr ausgereift. Am 08. Dezember 2010 gelingt der Firma der erste – rein privat finanzierte – Start einer Raumkapsel in den erdnahen Orbit. Zweimal umrundet die Dragon-Kapsel die Erde, bevor sie im Pazifik niedergeht. Doch können auf Profit ausgerichtete Firmen Astronauten wirklich sicher zur Internationalen Raumstation bringen?
Ernst Messerschmid:
„Das ist der zukünftige Weg, routinemäßige Transporte in den niedrigen Erdorbit zu organisieren. Offensichtlich folgen wir der Geschichte der Luftfahrt, das heißt, jetzt sind wir soweit, das wir glauben, das wir diesen Transportweg durchaus kommerziell durchführen können, und es ist immer gut bei einem freien Markt, das man mehr als einen Anbieter hat, im Moment gibt es nur die Russen, und die Amerikaner versuchen jetzt im nachhinein, jetzt da Shuttle nicht mehr zur Verfügung steht, dann eben gleich den kommerziellen Weg zu gehen.“
60 Millionen Dollar pro Astronaut
Auf absehbare Zeit können nur die Russen mit der seit 1967 im Einsatz befindlichen Sojus drei Astronauten zur ISS fliegen. Prestige kann oder will man sich in Amerika nicht mehr leisten. Es zählen nur noch die Kosten. Die NASA zahlt Russland für ein Flugticket circa 60 Mio. Dollar pro Astronaut. SpaceX hofft die Kosten um 2/3 Drittel senken zu können – mit einem sicheren, wieder verwendbaren Kapselsystem.
2014 will SpaceX mit seiner ersten bemannten Raumkapsel ins All starten. Wann sie damit die ISS erreichen wird, steht noch in den Sternen. In der Raumfahrt ist vor allem eines sicher: Verzögerungen.
Ernst Messerschmid:
„Es wird noch genügend Schwierigkeiten geben, denn wir brauchen immens viel Energie um in den Weltraum zu kommen, das ist eine komplexe Technik, und kommerziell überlebt nur diese Firma, die auch mit Versagen ihrer Rakete oder auch Mal mit der einen oder anderen Katastrophe umgehen kann. Denn auch die Luftfahrt ist nicht ohne Schwierigkeiten dort hin gekommen, wo sie heute ist.“
Auf dem Weg zur letzten Reise
Wartungs-Techniker begleiten die Endeavour in den Hangar. Dort dauert es Stunden bis das 80.000 Kilo schwere Shuttle mit den Raketenstufen verbunden ist. Die explosive Mischung aus Wasserstoff und Sauerstoff wird erst kurz vor dem Start in den Haupttank gefüllt.
Das Space Shuttle Endeavour ist auf dem Weg zu seiner letzten Reise. Die NASA beziffert die Kosten für das gesamte Shuttle-Programm auf fast 114 Milliarden Dollar. Durchschnittlich knapp 850 Millionen Dollar pro Start. Unabhängige Wissenschaftler schätzen die wahren Kosten eines Shuttlestarts allerdings auf fast 1,5 Milliarden Dollar.
Dabei ging man anfangs davon aus, dass ein Flug für 10 Millionen Dollar zu haben sei. Nach vier Jahrzehnten Entwicklungsarbeit, 134 Flügen und 14 toten Astronauten sind alle schlauer.
Wegen technischer Probleme wird der ursprünglich für Anfang April 2011 geplante Start allerdings erneut um Wochen verschoben. Am Morgen des 16. Mai 2011 soll die Endeavour nach zahlreichen Verzögerungen endlich – und zum letzten Mal – abheben.
Nach der Inspektion kommen die Astronauten
Kurz vor dem Start wird der rostrote Haupttank mit Minus 253 Grad Celsius kaltem, flüssigen Wasserstoff gefüllt. Eine zweite Kammer wird mit Minus 182 Grad kaltem Sauerstoff betankt. Die Männer des Eisteams sind die letzten, die den Haupttank und die Booster vor dem Start inspizieren. Durch die enormen Temperaturunterschiede könnte sich Eis am Haupttank bilden und den Orbiter beim Start gefährden.
Mit Wärmebildkameras wird nach Anomalien gesucht. Trotz aller Technik und Sensoren, die Kontrolle durch den Menschen ist unerlässlich! Sobald das Eis-Team seine letzte Inspektion abgeschlossen hat, fahren die Astronauten mit dem Austrobus zum Shuttle.
Es ist der letzte Flug der Endeavor zur Internationalen Raumstation. Der Raumgleiter bringt das letzte fehlende Bauteil zur ISS, damit die Raumstation nach 13 Jahren Bauzeit fertiggestellt werden kann. Die Fähigkeit der Space Shuttle große Lasten und Personen gleichzeitig zu transportieren war für die Entwicklung der fussballfeldgroßen ISS essentiell.
Jetzt ist die einzige permanent von Menschen besetzte wissenschaftliche Plattform im Orbit komplett. Seit Ende des kalten Krieges arbeiten hier 15 Nationen zusammen.
hitec berichtet von den Vorbereitungen der letzten beiden Shuttle-Starts und zeigt, welche technologischen und wirtschaftlichen Folgen die Abwicklung der Technik-Ikone hat.