Abenteuer Wissen: Wie funktioniert Geld? „BIG-Money“ für alle Grundeinkommen gegen Armut und Krankheit
Sendung vom 19.8.2009
Ein Dorf in Namibia wird zum Schauplatz eines sozialpolitischen Experiments. Alle Einwohner, ob arm oder reich unter 60 Jahren, erhalten durch das Programm „BIG“ (Basic Income Grant) ein bedingungsloses Grundeinkommen. Ziel des zweijährigen Projekts ist Verbesserung der finanziellen und gesundheitlichen Lage der Bewohner, denen so auch ein würdevolles Leben ermöglicht werden soll. (Hier geht´s zum Film)
Die Menschen im Gebiet von Otjivéro-Omitara, dem 960-Seelen-Labor des Experiments, können als durchschnittliche Namibier angesehen werden: Etwa Dreiviertel von ihnen leben unter der Armutsgrenze, 80 Prozent leiden regelmäßig unter Hunger und die AIDS-Rate ist erschreckend hoch. Das alles in einem Land, das aufgrund der enormen Diamantenvorkommen im Reichtum schwimmen müsste – wäre da nicht das Problem der Einkommensverteilung: In keinem Land der Welt klafft die Schere zwischen Arm und Reich so weit auseinander wie in Namibia.
Bereits zu Beginn des 21. Jahrhunderts schlägt eine Kommission, die im staatlichen Auftrag eine Verbesserung des Steuersystems und der sozialen Lage erarbeiten soll, vor, das System des bedingungslosen Grundeinkommens einzuführen. Der Namibische Staat lehnt zunächst ab, doch kirchliche und gewerkschaftliche Organisationen greifen den Vorschlag freudig auf. Sie starten ihr Projekt in dem Gebiet etwa 100 Kilometer östlich der Hauptstadt Windhoek Anfang 2008 und befristen es auf zwei Jahre. Jeder Bewohner von Otjivéro-Omitara unter 60 – die älteren bekommen die staatliche Einheitsrente – erhält pro Monat 100 namibische Dollar, knapp zehn Euro, was einem Durchschnittslohn entspricht.
Mächtiger Gegner
Das Geld stammt ausschließlich aus Spenden und wird einmal pro Monat verteilt. Bereits nach etwa einem Jahr zeigen sich erste Erfolge: Einige der Bewohner bringen ihre Hütten auf Vordermann, organisieren die Wasserversorgung oder können sich nun endlich einigermaßen gesund ernähren. Andere kaufen sich beispielsweise eine alte Nähmaschine und verdienen sich als Näherin ein Zubrot. Die individuellen Verbesserungen wirken sich auch auf das Gemeinschaftsleben aus. Die Dorflehrerin unterrichtet nicht mehr einen leeren Klassenraum, ihre Schüler sind zurück gekehrt und zeigen sogar Interesse am Lesen. Der Dorfpolizist registriert eine Abnahme der Wilderei um 95 Prozent und die von Viehdiebstahl um knapp die Hälfte.
Doch trotz der erfolgreichen Zwischenbilanz ist das Projekt „BIG“ nicht unumstritten. Seine Initiatoren rechnen vor, dass etwa zwei bis vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts von Namibia notwendig wären, um es landesweit einzusetzen. Der Internationale Währungsfond (IWF) dagegen geht von mindesten fünf Prozent aus – für die Ikone des Neoliberalismus selbstredend ein Unding! Allerdings hat der IWF mittlerweile einen Rechenfehler eingestanden und nähert sich der Schätzung der BIG-Koalition.
Sinneswandel?
Misstrauen herrscht aber auch vor Ort. Hardy Köhler, dessen deutsche Vorfahren vor 100 Jahren nach Namibia gekommen sind, ist Besitzer des größten Gemischtwarenladens der Gegend. Er hält „BIG“ für grundsätzlich falsch. Köhler findet, die Menschen werden durch das Projekt in die falsche Richtung gelenkt. Ihnen werde das Bewusstsein genommen, dass man erst etwas leisten muss, bevor man belohnt wird. Außerdem gäben die Dorfbewohner dann zu viel Geld für Alkohol aus. Alkohol, den er ihnen aber gewinnbringend verkauft. Seine Rechtfertigung: „Ich bin Kaufmann. Wenn ich ihn nicht verkaufe, verkauft jemand anders ihn.“
Ende 2009 wird das Projekt beendet sein. Noch weiß niemand, ob es an einem anderen Ort weiter geführt wird oder sogar in ganz Namibia zum Tragen kommt. Immerhin kommt nun auch von höchster politischer Seite Unterstützung: Hat seine Regierung 2003 den Vorschlag der Steuerkommission, das unbedingte Grundeinkommen einzuführen, noch abgelehnt, zeigt sich der ehemalige namibische Ministerpräsident Hage Geingob noch vor dem Start von BIG von einer anderen Seite: Mittlerweile „nur noch“ Minister für lokale Angelegenheiten und Wohnungsbau unterstützt er im März 2007 in einer Rede vor der Nationalversammlung die staatliche Unterstützung für alle.