Höllenfeuer – Löscheinsatz unter der Erde

Mittwoch, 18.11.2009 22:30 – 23:00 Uhr

VPS 18.11.2009 22:30

Länge: 30 min

Wissenschaftsmagazin, Deutschland, 2009

Wdh. am 18.11.2009 01:50 Uhr Nachtprogramm

VPS 19.11.2009 01:50

Zum Film geht´s hier lang:

Weltweit brennen unterirdische Kohleflöze – sie sind schwer zu orten, kaum zu kontrollieren oder zu löschen. Diese gewaltige Umweltverschmutzung trägt zur Klimaveränderung nicht unerheblich bei: Pro Jahr gelangen durch die Kohlefeuer, allein in China, etwa 20 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft. Das ist viermal so viel wie der deutsche Autoverkehr.

Glühendes Inferno in Indien

Dilemma zwischen Arbeitslosigkeit und Dorfbrand

Im Nordwesten Indiens, etwa 300 Kilometer von Kalkutta entfernt, brennt die Erde. Unter den Füßen der Einwohner von Samdih bedroht ein riesiger Kohlebrand Mensch und Umwelt. Das Feuer ist völlig außer Kontrolle. Um das Dorf zu retten, will die Minengesellschaft mit Hilfe deutscher Experten das Feuer bekämpfen.

Über 150 Kohlefeuer gibt es in Indien und ständig entstehen neue Brandherde. Zum Beispiel im Dorf Samdih. Dort greift im März 2009 das Feuer einer brennenden Kohlenhalde auf eine stillgelegte Mine über. Der Boden über den verbrannten Flözen gibt nach, der Boden senkt sicht, die Erde beginnt zu rutschen, Häuser stürzen ein. Das ganze Dorf ist in Gefahr.

Warnung vor tödlicher Gefahr
Warnung vor tödlicher Gefahr

Todbringende Dämpfe steigen auf

Gestank von Schwefelgasen und vor allem das geruchlose Atemgift Kohlenmonoxid, das aus Spalten und Verwerfungen im Boden von den unterirdischen Brandherden an die Oberfläche steigt, bedrohen die Menschen von Samdih zusätzlich.

Die Mine von Samdih ist eigentlich längst stillgelegt – und es brennt in ihr. Trotzdem bauen die Menschen dort mit primitivsten Mitteln illegal Kohle ab, Tausende leben davon. Rund 50 Cent bekommen sie für einen Korb von zwischen 35 und 40 Kilogramm.

Die Einwohner von Samdih wissen, dass die Feuer immer näher kommen. Trotzdem bleibt ihnen keine Alternative zum Kohlenklau, wenn sie nicht ohne Lebensgrundlage dastehen wollen. Wenn die Bewohner von Samdih aber nicht aufhören in den Berg zu gehen, dann wird es immer weiter brennen und das wird letztlich das Dorf zerstören – ein Teufelskreis.

Dreharbeiten mit Hartwig Gielisch in Samdih
Dreharbeiten mit Hartwig Gielisch in Samdih

Hilfe von deutschen Geologen

Das hat der deutsche Geologe Dr. Hartwig Gielisch von der Deutschen Montantechnologie in Essen herausgefunden: Durch die vielen Stollen gelangt Sauerstoff in den Berg, das Feuer wird daher nicht erstickt. Um die Brände effektiv löschen zu können, braucht man einen Lageplan der Brandherde. Den wollen die Wissenschaftler mit Hilfe von Schallwellenmessungen erstellen. Die Spezialisten aus Deutschland horchen mit ihrer speziell für Kohlebrände optimierten Messanlage tief in den Untergrund. Die Anlage kann durch Hitzeeinfluss berstendes Gestein oder einfallende Abbaustrecken anmessen. Sogar ein Knacken oder Knistern der Kohle bleibt den Experten nicht verborgen. Die Vermessung der Spalten und Bodenrisse gibt einen Aufschluss über die Richtung und Geschwindigkeit des unterirdischen Brandes.

Bis zu 600 KG wiegt die Fahrradladung
Bis zu 600 KG wiegt die Fahrradladung

Die Geologen haben aufgrund der Messungen einen Plan gefasst: Sie wollen die Feuer mit einem Betonwall aufhalten. Dazu planen sie eine Bohrung im hinteren Bereich der Mine und wollen die Einzelstollen mit einer Mischung aus Flugasche und Beton verfüllen. Die indischen Behörden stehen angesichts dieses Vorhabens vor einem Dilemma: Samdih kann gerettet werden, allerdings um den Preis, dass viele Menschen ihre Lebensgrundlage verlieren werden. Indem sie das Inferno verhindern, beschwören sie eine soziale Katastrophe herauf.

Schwelende Kohlehalden

Auf der Suche nach geeigneten Löschmethoden

Schwelende Kohlehalden, glimmende Silos, rauchende Deponien: Auch in Deutschland lauert die Gefahr der Selbstentzündung von Rohstoffhalden. Mitarbeiter der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung beobachten und erforschen daher deutsche Halden ganz genau. Sie versuchen ein Mittel zu finden, das zukünftig Brände verhindern soll.

Bilder von schwelenden Kohlehalden aus Indien und China zeigen, wie gefährlich diese für die Natur und den Menschen sein können. Dabei geht es nicht nur um den Verlust von wertvollen Rohstoffen, sondern auch um die Gefahr vor größeren Explosionen. Denn bereits 30 Gramm Kohlenstaub auf einen Kubikmeter Luft können eine explosive Mischung ergeben. In Deutschland stehen Halden deshalb unter ständiger Beobachtung.

Simulationen im Labor

Simulationen am BAM in Berlin
Simulationen am BAM in Berlin

Um die Vorgänge im Inneren von Rohstoffhalden besser verstehen zu können, untersucht der Wissenschaftler Martin Schmidt von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung seit mehreren Jahren die Selbstentzündung und Ausbreitung von Schwelbränden in Kohleflözen, Halden oder Recyclinglagern. Immerhin 80 Prozent aller Schüttgüter sind brennbar und können sich selbst entzünden. Was in der Natur Monate oder Jahre dauert, wird im Labor beschleunigt. In aufwändigen Simulationen versucht Schmidt mit seinem Team, Methoden zu finden, die die natürliche Selbstentzündung verhindern.

Anhand von Eisenwolle zeigen die Forscher welche Prozesse im Inneren von Halden ablaufen. Im Labor verbrennt das Eisen und oxidiert dabei zu Eisenoxid. Ähnliches passiert im Inneren einer Halde mit der Kohle. Auch hier kommt es zur Oxidation. Das heißt, das Material reagiert mit dem eingeschlossenen Sauerstoff und setzt bei diesem Prozess Wärme frei. Und das passiert schon bei normalen Umgebungstemperaturen.

Wasser als Brandbeschleuniger

Wichtig ist jedoch noch ein zweiter Aspekt: Da eine Kohlenhalde ein schlechter Wärmeleiter ist, wird die durch Oxidation entstehende Wärme nur wenig nach außen abgeführt, und es kommt zu einem Hitzestau. Die Temperatur im Kern der Halde steigt immer weiter an, bis die Kohle sich schließlich von selbst entzündet. Hat sich die Kohle einmal entzündet, ist es schwierig, den Schwelbrand im Inneren der Halde zu löschen. Wasser, das haben die Forscher herausgefunden, ist dabei als Löschmittel eher ungeeignet. Denn ähnlich wie bei einer Pfanne mit heißem Fett, kann Wasser hier eher als eine Art Brandbeschleuniger wirken. Im Experiment wollen die Forscher dieses Phänomen genauer untersuchen.

Ein mit Kohle gefülltes Versuchsrohr simuliert die Bedingungen in der Halde im kleinen Maßstab. Durch große Heizröhren wird der Probe von allen Seiten gleichmäßig Wärme zugeführt, anschließend geben die Wissenschaftler Wasser hinzu. Das Ergebnis: Der Hitzestau im Innern der Probe verstärkt sich, das Brandrisiko steigt.

Hitzestau im Innern

Mittlerweile haben die Forscher eine Erklärung für das Problem gefunden. Da der Brandherd im Inneren sitzt, kann das Wasser den Brand nicht direkt löschen, sondern muss über die Oberfläche nach unten weitergegeben werden. Durch die oberflächliche Wasserzugabe wird der Hitzestau im Innern der Probe jedoch verstärkt, da die Hitze jetzt noch schlechter abgeleitet werden kann.

Brandexperten setzen deshalb auf flüssigen Beton als Löschmittel. Dieser wird durch Rohre in der Halde möglichst gezielt am Brandherd injiziert, um so eine Ausbreitung zu verhindern. Schwelbrände können so bekämpft werden. Ziel der Experten ist es jedoch, durch Prävention und regelmäßige Kontrolle Brände bereits im Keim ihrer Entstehung zu ersticken.

Unterirdische Feuer in China

Die schleichende Umweltkatastrophe

In den USA, Australien, Südafrika, Indonesien und Indien brennen unterirdische Kohlenflöze, doch nirgendwo ist das Ausmaß brennender Kohlelagerstätten so gewaltig wie in China. Der Kohlefeuergürtel erstreckt sich über 5000 Kilometer hinweg entlang der chinesischen Nordgrenze. Deutsche Forscher wollen mit Hilfe von Satelliten die Feuer orten und löschen.

In der nordchinesischen Provinz Ningxia befinden sich die größten Kohlevorkommen der Welt. In dieser unwirtlichen, fast menschenleeren Wüstengegend, gibt es aber auch die größten und zahlreichsten Kohlefeuer weltweit – eine katastrophale Situation für die Umwelt. Mehr als 750 größere Brandherde wurden bislang entdeckt, die permanent vor sich hin glimmen.

Unterirdische Brandherde

Ein großes Problem der brennenden Kohleflöze stellt die gewaltige Umweltverschmutzung dar. Pro Jahr schleudern allein die schwelenden Kohlefeuer etwa 16 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft – viermal so viel wie der deutsche Autoverkehr. Die Brandflächen nehmen inzwischen schon 35.000 Hektar ein, das sind etwa elf Prozent des gesamten Bergbaugebiets.

Auch ökonomisch gesehen entsteht durch die Feuer ein dramatischer Schaden. Jährlich verbrennen mindestens 30 Millionen Tonnen wertvolle Kohle, die zehnfache Menge davon wird darüber hinaus für den Bergbau untauglich und bedroht damit den Bergbaubetrieb der großen staatlichen Fördergesellschaften. Eine der Ursachen für die Brände in China liegt auch in der Privatisierung von Kleinstminen in den 80er Jahren. Durch die Privatisierung sollte der Bergbau auch im Familienbetrieb gefördert werden. Das Ziel war eine höhere Kohleförderung und damit verbunden höhere Steuereinnahmen. „Wegen mangelnder Kontrolle der Sicherheitsmaßnahmen entzündete sich die Kohle, und die Feuer verbreiteten sich rasend schnell.“, erklärt der Geologe Jianwei Ma.

Deutsch-chinesische Forschungsinitiative

Bislang haben die Chinesen versucht, dem Feuer durch Brandschneisen die Nahrung zu entziehen, oder sie haben die glühende Kohle selbst abgetragen. Das ist gefährlich, aufwändig und teuer. Mittlerweile aber haben sich die Brände gefährlich nah an das unterirdische Hauptstromkabel herangefressen, das Ningxia mit Peking verbindet. Das Kabel haben die Chinesen nun mit hitzebeständigem Spezialbeton gesichert.

Ein deutsch-chinesisches Wissenschaftlerteam versucht nun, die unterirdischen Brandherde effektiv zu bekämpfen. Dazu müssen die Experten zunächst die unterirdischen Brandherde finden. Die so genannten „Hotspots“ können in dreißig bis fünfzig Metern Tiefe liegen. Der Geograph Stefan Voigt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen ist Spezialist für die Fernerkundung der Erde mit Satelliten. Sechs temperatursensible Satelliten sind für das DFD unterwegs, um die Brände rund um die Helanberge als Hitzekarten sichtbar zu machen. Dabei kommen auch Infrarot- und Mikrowellen-Daten zum Einsatz. Sind die unterirdischen Feuer aus dem All erst einmal präzise geortet, können sie bekämpft werden.

Beitrag für den Klimaschutz

Deutsche und internationale Fernerkundungssatelliten wie Bird oder LandSat haben Wärmebildkameras an Bord, mit denen sie Waldbrände und Vulkanausbrüche aus dem Weltall orten können. Diese Instrumente sind so empfindlich, dass sie die typischen Wärmemuster von Kohlebränden auf der Erdoberfläche finden. Die Aufnahmen werden mit den Karten über die bekannte Ausdehnung der Kohlevorkommen verglichen und mit den Aufzeichnungen anderer Satelliten überlagert, um bekannte Wärmequellen wie etwa Städte oder Kraftwerke herauszufiltern. Am Ende bleiben die Wärmemuster der Kohlenfeuer übrig. Das genaue Ausmaß unterirdischer Schwelbrände wird dann sichtbar.

Über der menschenleeren Wüste der Helan-Shan Berge kann die wärmegesteuerte Satellitenaufklärung besonders gut eingesetzt werden. Anders als etwa im dicht besiedelten indischen Kohlebrandgürtel, wo Häuser Wärme abstrahlen und die Messungen verfälschen. Die Ortung per Satellit funktioniert nur nachts, am besten kurz vor Sonnenaufgang. Dann ist der Boden so weit abgekühlt, dass die Erwärmung durch Sonneneinstrahlung die Wärmeentwicklung der Brände nicht mehr überlagert. Die Fernerkundungsspezialisten messen die exakten Oberflächentemperaturen der Hotspots und ihre genaue Position.

Brennende Kohlehalde in Indien
Brennende Kohlehalde in Indien

Ein großer Schritt

So konnten die Wissenschaftler auch viele bislang unbekannte Kohlefeuer entdecken. Die dabei entstehenden Treibhausgase wie CO2, Kohlenmonoxid, Methan und Stickstoffoxide verpesten weiterhin die Atmosphäre. Bis 2020 – so der Plan – sollen mit deutscher Hilfe alle Brände gelöscht sein. Sind die Brände erstickt und unter Kontrolle ist dies ein wichtiger und großer Schritt für den Klimaschutz.

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