Gen-Sequenzierung leicht gemacht?

Töne und Lichtblitze helfen bei der DNA-Analyse

Es war ein Meilenstein der Wissenschaft, als Präsident Clinton im Juni 2000 die Entzifferung der menschlichen Gene durch das Internationale Humangenomprojekt für fast abgeschlossen erklärt: „Wir kennen jetzt die Sprache, in der Gott Leben erschuf.“ Im Chromosomensatz jeder Zelle gibt es zirka 25.000 Gene. Ob Augenfarbe oder Beschaffenheit der Haut, alle individuellen körperlichen Merkmale werden durch sie festgelegt. Auch die Anfälligkeit für Krankheiten liegt in den Genen begründet.

Seitdem werden ständig neue Forschungsergebnisse präsentiert und neue Zusammenhänge zwischen Genen und deren Beteiligung am Ausbruch von Krankheiten sowie an körperlichen oder seelischen Veranlagungen hergestellt. Das Anti-Aids-Gen, CCR2, ist auch schon gefunden. Vielen Menschen machen solche Meldungen Mut, denn sie wecken begründete Hoffnungen, dass in unseren Genen der Schlüssel zur Bekämpfung von Krankheiten liegt.

Schnelle Computer, schnelle Entschlüsselung

Bereits Mitte der 70er Jahre nahmen diese Forschung ihren Anfang. Damals entwickelte Frederick Sanger im britischen Cambridge eine Methode zur Sequenzierung von Genen, die zur Grundlage des Humangenomprojekts werden sollte. Sanger kopierte im Reagenzglas die Synthese der Erbsubstanz mit Hilfe eines Enzyms, wie sie auch in der Zelle abläuft. Allerdings war es aufwendig und teuer, die Erbsubstanz mit der Sanger-Methode zu sequenzieren. Das Lesen eines DNA-Buchstabens kostete vor 20 Jahren noch mehrere tausend Dollar. Durch die Miniaturisierung und die Steigerung der Rechenleistung von Computern sanken die Kosten. Die Geschwindigkeit, mit der biologische Daten gewonnen werden, verdoppelt sich mittlerweile alle sechs Monate, so dass die Sequenzierung eines DNA-Buchstabens heute weniger als einen Cent kostet. Während das Humangenomprojekt noch drei Milliarden Dollar teuer war, ist ein individuelles Genom heute schon für zehn Millionen Dollar zu haben. Und es zeichnet sich erneut eine technologische Revolution ab, die nicht nur die Labore, sondern die gesamte Gesellschaft erfassen wird. Im bayerischen Penzberg in den Laboren von Roche Diagnostics wird gerade ein Gen-Sequenzierer weiterentwickelt, der schon jetzt in fünf Stunden bis zu 30 Millionen DNA-Buchstaben sequenzieren kann.

Bahnbrechende Ergebnisse, neue Fragen

Roche nutzt, wie auch die Sanger-Methode, die Fähigkeit des Enzyms DNA-Polymerase zum Ablesen der Erbinformation. Das Enzym wird von einer Kamera dabei beobachtet, wie es nacheinander, Buchstaben für Buchstaben, passende leuchtende Nukleotide in einen DNA-Strang einbaut. Passt ein Nukleotid zu einem bestimmten DNA-Buchstaben, wird chemisch Licht freisetzt. Anhand der Intensität des Lichtblitzes, kann dann der Computer die Buchstabensequenz der untersuchten DNA ermitteln und es können gleichzeitig bis zu 1,6 Millionen verschiedene DNA-Schnipsel untersucht werden. Das ist äußerst schnell, sehr effektiv und technologisch noch längst nicht ausgereizt. Im Rahmen des Humangenomprojekts wurden die Bausteine einer Zelle inzwischen ausführlich beschrieben. Um diese Erkenntnisse richtig nutzen zu können, müssen jetzt allerdings die Funktionen der Gene noch besser erforscht werden. Der Leiter der Genomanalyse am Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung Dr. Helmut Blöcker, der auch maßgeblich am internationalen Humangenomprojekt beteiligt war, sagt: „Es gibt viele Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Abschnitten der DNA und zwischen Proteinen untereinander mit der DNA. Auch die Zeit spielt dabei eine wichtige Rolle. Darüber müssen wir jetzt mehr herausfinden, zum Beispiel, welche Moleküle bewirken, dass bestimmte biologische Prozesse in Gang kommen.“

Zellen sind noch komplexer als erwartet

In diesem Zusammenhang sprechen Forscher auch vom „alternativen Genom“. Denn etwa 25.000 menschliche Gene produzieren über 100.000 Proteine, um unsere Körperfunktionen zu steuern. Die Baupläne für bestimmte Proteine liegen also nicht 1:1 in den Genen vor, sondern entstehen durch Kombination von einzelnen Gen-Stücken. Und um nicht den Überblick über die vielen verschiedenen Daten und Möglichkeiten menschlicher DNA zu verlieren, braucht die Wissenschaft neue Technologien. Dazu nutzt Dr. Blöcker eine ungewöhnliche Methode, die man auch in der digitalen Bildverarbeitung oder Spracherkennung bereits einsetzt: Da die vier Basenpaare der Erbsubstanz unterschiedliche physikalische Eigenschaften haben, kann man diesen verschiedene Töne zuordnen. So wird eine Analyse ihrer Schwingungen möglich, die ungeahnte neue Erkenntnisse bringt. Die Vergleiche durch Töne sagen wesentlich mehr über die Eigenschaften der DNA aus, als die bisherige Arbeit mit Buchstabensymbolen. Gleichzeitig zeigen die Fortschritte bei der Funktionsanalyse einzelner DNA-Abschnitte aber auch, dass Zellen noch komplexer sind als erwartet. Im Grunde muss nun völlig neu gefragt werden, wie ein Zelle arbeitet, wie ihre Substanzen in Wechselwirkungen stehen oder sich ein Protein faltet.

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