Kreuzfahrt zur Titanic


Titanic

DIE ZEIT Nr. 35 23.08.1996 REISE

von John A. Kantara

Eine ganz ungewöhnliche Bordanimation erleben in diesen Tagen 2000 Kreuzfahrttouristen an Bord der US-Luxusliner Royal Majesty und Island Breeze. Am 27. August treffen sich die beiden Traumschiffe im Nordatlantik bei den Koordinaten 41 Grad 43 Minuten Nord, 49 Grad 56 Minuten West. 4000 Meter unter ihnen auf dem Meeresgrund ruht das wohl berühmteste Schiffswrack der Welt, die am 15. April 1912 nach der Kollision mit einem Eisberg gesunkene Titanic.

Die bequem reisenden Kreuzfahrtpassagiere erleben eine Premiere in der christlichen Seefahrt: Über Video-Monitore in den Salons der Luxuskreuzer werden sie bei spektakulären Tauchfahrten des Tiefsee-U-Boots Nautile hinunter zur Titanic live dabeisein.

Mit an Bord des zwei Meter durchmessenden U-Boots aus Titan ist der Amerikaner George Tulloch, der vor einem US-Gericht die Bergungsrechte an der Titanic erstritten hat. Ihm wurde das Recht zugesprochen, aus dem Trümmerfeld der Titanic Gegenstände zu bergen. Mehr als 4000 Titanic-Artefakte hat Tulloch inzwischen aus der Tiefe geholt – darunter ein zerbeulter Kronleuchter, Porzellan, Kristallflaschen, ein Silbertablett, ein Fernglas, Rasierpinsel und Schuhputzzeug.

Mit ihren Roboterarmen kann die Nautile noch kleinste Objekte bergen.

Der frühere Autohändler träumt von einem schwimmenden „Titanic-Museum“, das die Weltmeere bereisen soll. Mit Hilfe der Touristen, die für ihren Ausflug zur Titanic zwischen 2000 und 6000 Dollar berappen, versucht Tulloch, einen Teil der Kosten von über 200 000 Dollar pro Tauchfahrt wieder hereinzubekommen.

Den bei Cocktails und Kanapees gemütlich in den Fauteuils ruhenden Urlaubern wird einiges geboten: Sie sollen mit Hilfe der Kamerasonde „Robin“ gestochen scharfe Bilder aus der Kabine von Titanic-Kapitän Smith sehen. Als krönenden Höhepunkt können die Passagiere dann miterleben, wie Speziallampen den Bug der Titanic mit 32 000 Watt illuminieren.

Und ganz ohne Souvenir brauchen die Titanic-Touristen nicht nach Hause zu fahren: Bei der letzten Expedition in die Tiefe hat die Crew der Nautile tonnenweise Kohle geborgen. Jeder der Passagiere kann ein Stück erwerben – komplett mit Plastikhaube, numeriertem Echtheitszertifikat und persönlicher Gravur auf einer Messingplatte zum Schnäppchenpreis von 25 Dollar.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.