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MEINUNG WIDERSPRUCH
Nein, es sind nicht die schwarzen Wähler, die sich schwertun mit Barack Obama, wie Martin Klingst in seinem Artikel Lieber Opfer als Präsident (ZEIT Nr. 20/08) behauptet. Inzwischen hat Obama die Mehrheit der schwarzen Stimmen errungen und selbst Skeptiker wie den einflussreichen Prediger Al Sharpton für sich gewonnen. Dennoch ist er einigen Kommentatoren »nicht schwarz genug«. Obama gibt sich unbeeindruckt. » Das ist eher eine Diskussion unter Intellektuellen, die die schwarze Gemeinschaft unterschätzen. Die denken, wenn ich nicht auf Anhieb 95 Prozent der schwarzen Stimmen bekomme, kann etwas nicht stimmen«, sagte er kürzlich in einem Interview.
Dass viele Afroamerikaner anfangs eher skeptisch auf den unerfahrenen Kandidaten mit seltsamem Namen und ungewöhnlicher Biografie reagierten, ist keine Tragödie, sondern ein Beweis, dass auch schwarze Wähler durch Inhalte überzeugt werden wollen. Das scheint Obama gelungen zu sein. Seine Botschaft des »change« und die Weigerung, auf die aggressive Clintonsche Wahlkampf-Rhetorik mit gleichen Mitteln zu antworten, haben überzeugt und Clinton die Favoritinnenrolle gekostet.
Es sind vielmehr die weißen Unterschichten und ältere Frauen, die sich mit Obama schwertun. Dennoch liegt er in Führung.
Die Aufarbeitung von Rassismus war von jeher mit heftigen Diskussionen innerhalb der schwarzen Gemeinschaft verbunden. Deshalb kann sie nicht ausgerechnet dann enden, wenn erstmals ein schwarzer Kandidat Chancen auf das Präsidentenamt hat. Sie gehört zum Selbstverständnis vieler Afroamerikaner, die die Folgen von Sklaverei und Unterdrückung bis heute spüren. Sollten also Barack Obama Kandidatur oder Präsidentschaft versagt bleiben, dann nicht wegen fehlender schwarzer Stimmen. Und falls er doch als 44. US-Präsident am 20. Januar 2009 ins Weiße Haus einzieht, bedeutet das zwar kein Ende der Rassismusdebatte.
Aber es wäre ein Zeichen für viele schwarze Amerikaner: Wir waren Opfer und wurden trotzdem Präsident.
© DIE ZEIT Nr.21 vom 15.05.2008, S.13